Momentan zeichnet es ich ab, dass wir den kommenden Sommer die ersten halbwegs normalen Festivals nach 2 Jahren Pandemie bekommen werden. Viele dieser Großevents haben in den letzten 2 Jahren gar nicht statt gefunden und einige haben es mit angepassten Konzepten versucht, also bestimmten Hygieneauflagen und weniger Besuchern. Was insgesamt aufgefallen ist, dass überwiegend die kleineren alternativen Festivals noch etwas machen konnten. Größere und durchkommerzialisierte Veranstaltungen mit internationalen Line-Up wurden hingegen abgesagt. Trotzdem gab es einige Entwicklungen und auch wenn die Pandemie fast alles andere überlagert hat, machen sich Veranstalter natürlich Gedanken, wie es jetzt weitergeht. Ich selbst habe mir da auch schon einige Gedanken gemacht und bin gespannt, in welche Richtung wir in Deutschland gehen.
Eines meiner letzten Festivals als Besucher war das Melt 2019 in Gräfenhainichen. Internationales Line Up, 100% durchkommerzialisiert, nichts wird einem geschenkt, ca. 80% internationales Publikum, vorallem aus den GB und den Niederlanden. Viele der der Anreisenden haben wenig Gepäck (teilweise nur einen Rucksack) und kommen mit dem Billigflieger für 30€ von der Insel. Alles was man braucht, kauft man sich vor Ort. Für die Partytouristen ist das immer noch ein Schnäppchen. Festivals in den Niederlanden oder England sind deutlich kostenintensiver. Viele der mitgebrachten, sehr einfachen Zelte vom Sport Discounter werden nach dem Wochenende einfach stehen gelassen. Vielleicht packen einige lieber noch ein wenig Merchandise in den kleinen Koffer. Davon abgesehen gibt es ein konsequentes Pfandsystem für den anfallenden Müll auf dem Campingplatz und dem Festivalgelände selbst.
Der Counterpart zum Melt sind die alternativen Festivals wie das Fusion in Mecklenburg Vorpommern oder die Wilde Möhre, das Feel Festival und die Nation of Gondwana in Brandenburg. Die Festivalbesucher, welche überwiegend aus Deutschland kommen, sind über ein gesamtes Wochenende zu großen Teilen Selbstversorger. Der mitgebrachte Alkohol kann mit auf das Festivalgelände genommen werden, gegessen wird oft am Zelt oder am Camper. Das Programm der Veranstaltungen wird meistens mit regionalen Künstlern und sogar ganzen regionalen Crews gefüllt. Internationale Künstler gibt es kaum, das musikalische Niveau hinkt den großen internationalen Festivals hinterher. Für die Partytouristen von der Insel sind die alternativen Festivals bei uns deshalb kaum interessant. Nach dem Festival muss wieder der Müll gesammelt und abgegeben werden und da kommt doch einiges zusammen. Durch die Selbstversorgung ensteht sichtbar mehr Müll, auch auf dem Festivalgelände selbst.
Die Nachhaltigkeit von Festivals war schon vor der Pandemie ein Thema, welches nach und nach zunehmendend in den Fokus der ganzen Szene gerückt ist. Auch bei den Clubs tut sich mittlerweile einiges, so gibt es zb Clubtopia in Berlin. Clubs haben aber ganz andere Voraussetzungen und die größte Priorität liegt vor allem bem Energieverbrauch vor Ort. Festivals haben hingegen andere Prioritäten. Nun kamen die ersten Newsletter der Festivals für den Sommer bei mir rein. Mit Konzepten für CO2 Einsparungen und mehr Nachhaltigkeit wird geworben. Die zwei großen Baustellen für die Festivalveranstalter sind die Anreise und der Müll, welcher vor Ort produziert wird. Wenn man wie das Melt auf internationales Publikum setzt, wird es natürlich schwer mit den CO2 Einsparungen bei der Anreise. Als Instrument bietet man derzeit eine freiwillige CO2 Kompensation im Wert von 2,60€ an, was ganz klar bedeutet, dass man die Anreise doch bitte schön selbst kompensieren soll. Es ist eigentlich ganz offensichtlich: Festivalkonzepte, wie beim Melt lassen keine echte Nachhaltigkeit bei der Anreise zu bzw. schieben die Verantwortung auf das Individuum ab. Ehrlicher wäre hier zB eine echte Anreisekompensation aller Besucher im Festivalticket. Die einzige Chance bleibt damit die CO2/Müll Reduktion vor Ort, welche aber auch schon weitergehend ausgereizt ist. Die alternativen Festivals in Brandenburg sind an dieser Stelle ein Stück weiter und haben konzeptuelle Vorteile. Das Auto wird als Anreisemittel der Wahl bei vielen dieser Festivals weiter eingeschränkt und benachteiligt. Es gibt Auto- und Wohnmobilpässe, welche aber kostenintensiv und stark beschränkt sind. Wer mit der Bahn anreißt, bekommt die besseren Camping Spots und wird belohnt. Positiver Nebeneffekt dieser Strategie ist, dass mit weniger Autos auch weniger individueller Müll mit auf das Festival transportiert werden kann. Trotzdem bleibt der Müll das Hauptproblem dieses Typus von Großveranstaltung.
Ich würde mal behaupten, dass es jetzt spannend wird. Die Festivallandschaft bei uns wird sich verändern und das muss sie auch. Festivals werden aufgrund ihrer Grundkonzeption etwas unterschiedliche Probleme mit dem Thema Nachhaltigkeit bekommen. Für einige Themen gibt es jetzt schon Lösungsansätze und für andere wird es wenig überraschend schwierig werden. Wo man heute noch mit Green Washing und gezieltem Festivalmarketing den Besucher überzeugen kann, wird es morgen schon nicht mehr weiter gehen. Es wird natürliche Grenzen geben. Festivals werden immer einen Impact haben, nur wie groß dieser sein darf, wird wohl bald genauso diskutiert werden, wie die Frage nach einem Verbot des Benzinmotors oder von Kurzstreckenflügen.